Geschichte

Kurbad

Der Ursprung von Bad Heustrich liegt weit zurück in sagenumwobener Zeit. Seit 1770 dient die Heilquelle am Fusse des Niesens zum Kuren. Doch erst als Johann Hofstetter im Jahre 1831 jene Badehütte kaufte, nahm der Betrieb einen grossen Aufschwung. 1835 entstand das erste Kurhaus mit 18 Zimmern. Bis zum ersten Weltkrieg stieg die Bettenzahl auf 180. Den Höhepunkt bildete das 1892 erbaute moderne Zentralhaus, dessen Kureinrichtungen von Fachleuten als hervorragend beurteilt wurden. Behandelt wurden Störungen der Schleimhäute, des Kehlkopfes, der Blase sowie Magenkrankheiten, Bronchitis und Bleichsucht.

Nach dem ersten Weltkrieg waren die Glanzzeiten des Bad Heustrich vorbei. Die noblen Gäste blieben aus und die Ärzte verschrieben statt Kuren häufiger Medikamente. Besonders wenige Gäste kamen im Sommer 1931, und am Ende dieser Saison war die Kasse leer. Am frühen Morgen des 26. Februar 1932 brannte das Heustrichbad bis auf die Grundmauern ab. Laut Gerüchten sei Brandstiftung verübt worden.

Das Bad wurde zwar wieder aufgebaut, doch kleiner als zuvor. Bis ins Jahr 1971 wurde es weiterhin als Hotel betrieben. 1973 erwarb die Fürsorgedirektion des Kantons Bern die Liegenschaft und übergab das Haus dem Verein für sozialtherapeutische Gemeinschaft. Drei Jahre später entstand mit der Stiftung Bad Heustrich die heutige Trägerschaft.

Stiftung Bad Heustrich

1973 übernahm der neu gegründete Verein für sozialtherapeutische Gemeinschaft vom Kanton Bern das Bad Heustrich und die ersten Bewohner wurden aufgenommen. Drei Jahre später wurde der Verein auf Weisung des Kantons in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt. Die Stiftung Bad Heustrich bot für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung berufliche Ausbildungen sowie geschützte Wohn- und Arbeitsplätze an.

Der Platz wurde mit der Zeit eng und die Stiftung erarbeitete sich ein neues Konzept und plante eine Vergrösserung mittels Anbau und Neubau. 1988 konnten nach drei Jahren bauen und renovieren die neuen Räumlichkeiten eingeweiht und bezogen werden. Im Laufe der Zeit kamen weitere Gebäude dazu. Zudem wurde das Angebot im Jahre 1990 durch die Wohnschule Aurora in Spiez erweitert. Weiter wurde im Jahr 1996 der Sozialdienst eingeführt. Das Angebot wurde weiter ausgebaut und verfeinert, so dass die Stiftung Bad Heustrich verschieden intensiv betreute Wohnformen anbieten kann. Aktuell bietet die Stiftung Bad Heustrich 20 Ausbildungsplätze, 32 Arbeitsplätze, 45 Wohnplätze und 8 Wohnschulplätze an.

Die Stiftung Bad Heustrich pflegt schon seit langem eine Kultur der offenen Tür und bietet interessierten Personen Einblick in den Alltag. Durch die kulturellen Anlässe, die die Stiftung schon seit 1980 organisiert, erlangte die Stiftung weitere Bekanntheit.

Die bewegte Geschichte des Kurbad Bad Heustrich

Bad Heustrich – früher und heute

Eine Schwefelquelle tritt im Rossgraben am Fuss des Niesen aus dem Hang. Im 19. Jahrhundert war sie der Ursprung eines mondänen Hotel- und Kurbetriebs, dem Bad Heustrich.

Das Heustrich Wasser

Das Wasser der Schwefelquelle wurde 1855 untersucht, ihm wurde hervorragende Qualität attestiert. Es soll vor allem bei Katarrh und chronischer Bronchitis heilsam wirken. Die abgebildete Tafel ist in der Stiftung Bad Heustrich heute noch zu sehen .

Das alte Quellhaus aus der Zeit des Kurbetriebs ist heute noch erhalten und kann besucht werden.

Das Wasser wurde vor allem getrunken, frühmorgens eine Stunde vor dem Frühstück. Im Idealfall wanderten die Kurgäste selbst zur Quelle. Für weniger mobile Patienten wurde das Wasser ins Hotel gebracht. Man konnte im Kurhotel auch im Heustrich-Wasser baden, damit inhalieren und verschiedene Spülungen vornehmen.

Der Bäder-Tourismus

Die schwefelhaltige Quelle im Rossgraben wurde schon seit 1767 zum Baden genutzt. Jakob Isler baute eine erste offene Badhütte mit einigen Holzubern, mit Bewilligung des Rats von Bern. Das Bad verlottert aber und wird 1831 versteigert, neuer Besitzer wird Johannes Hofstetter, Landwirt aus Kienersrüti. Das Bad bleibt beinahe 100 Jahre im Besitz der Familie Hofstetter. Der Betrieb wird kontinuierlich ausgebaut, vom einfachen Bad mit 18 Zimmern wurde es zum gediegenen Kurhotel mit internationaler Ausstrahlung.

Im Kuhsalon konnten die Kurenden Milch «kuhwarm» trinken und die herrlich riechende Stalluft atmen, für die Städter ein einmaliges Erlebnis.

Eine pneumatische Glocke wurde angeschafft. Kurgäste mit Asthma wurden darin behandelt, indem sie komprimierte Luft atmeten. Die alte Kanderbrücke aus Holz stürzte beim Transport des schweren modernen Apparats ein, er konnte jedoch geborgen werden.

Im Inhalationssaal gab es hochmoderne Zerstäubungsapparate, welche das Heustrich-Wasser in feinen Tropfen verteilten. Ausserdem konnte man verschiedenste Spülungen machen.

Die Bäder waren luxuriös mit Marmor- oder Zinkwannen ausgestattet. Ausserdem standen verschiedenartige Duschen zur Verfügung, ähnlich wie heute in einem Spabetrieb.

Die Gäste wurden anfangs in Thun mit einer Kutsche abgeholt, bis zu 14 Pferde waren dafür im Einsatz. Später konnten die Gäste bei der Schiffländte in Spiez abgeholt werden und schliesslich bei der Bahnstation Heustrich.

Tagesablauf eines Badegastes

«Damals verlief ein Tag ungefähr folgendermassen: Am frühen Morgen spazierten die Gäste hinauf zur Quelle, ein Gang, der etwa eine Viertelstunde in Anspruch nahm. Hier gurgelte man und trank Wasser in kleinen Schlücken. Erst eine Stunde später frühstückte man, und in der Zwischenzeit durfte man nicht sprechen. Im Verlauf des Vormittags wurde inhaliert, gebadet, massiert und eine Stunde vor dem Mittagessen wieder an der Quelle getrunken und gegurgelt. Der dritte Gang zur Quelle geschah eine Stunde vor dem Abendessen. Sowar man ziemlich in Anspruch genommen und hatte nur Zeit für kleine Spaziergänge oder Ausflüge mit der Kutsche in die umliegenden Dörfer, wo sich der Fremdenverkehr erst zu entwickeln begann.»

(Aus: Aeschi. Aus Geschichte und Heimatkunde. Walter Stalder, Verlag Paul Haupt Bern, 1991)

Die Gebäude

Bad Heustrich produzierte eigenen Strom mit der Dampfmaschine.

Die Räumlichkeiten und die Umgebung wurden mit Bildern und Kunstgegenständen aus dem Schloss Utzigen bei Bern ausgestattet. Ein Kurorchester erfreute die Gäste. Ausserdem gab es eine Wandelhalle, einen Lese- und einen Konversationssaal und Spielmöglichkeiten für Kinder.

Bei der Trinkhalle gab es eine kleine Kappelle, in der täglich die Messe gelesen wurde. Die Trinkhalle ist heute noch erhalten, ausser der hintere Teil mit der Kappelle.

Eine Telegraphenverbindung wurde installiert, Hydranten aufgestellt, eine ausgedehnte Gartenanlage entstand mit Springbrunnen und Spazierwegen, ein Weg auf den Niesen mit 150 Kehren.

Menschen

Über drei Generationen wird der Kurbetrieb von der Familie Hofstetter geleitet, beinahe 100 Jahre. Während dieser Zeit erlebt das Hotel seine Blütezeit. Neben dem Kurhotel führte Familie Hofstetter ihren Bauernbetrieb bei Thun weiter.

Nach einer Geschichte aus der Familie Hofstetter traf der erste Johann Hofstetter den jungen Felix Mendelssohn auf seinen Reisen im Berner Oberland.

Kronprinz Wilhelm August und sein Bruder Oskar (Söhne des deutschen Kaisers Wilhelm II) weilen 1892 und 1904 mit ihrem Gefolge im Bad Heustrich.

Albert Anker war 1871 im Bad Heustrich und erstellte ein hübsches Skizzenbuch.

Die Gästeschar ist international (Russland, Polen, Frankreich, Deutschland) und meistens von hohem Stand.

Internationaler Ruhm

Das Bad Heustrich war international bekannt. Im Jahr 2017 tauchte von der Tapete eines Berliner Restaurants ein Inserat für das Bad um 1900 auf.

Ebenfalls aus dieser Zeit stammt ein romantisches, sehnsüchtiges Gedicht über das Heustrich Bad, geschrieben von Max Duncker, einem Kurgast, gedruckt 1901 in Stettin (Polen).

Der Niedergang und der Brand

Mit Ausbruch des ersten Weltkriegs verliessen die Gäste 1914 das Hotel fluchtartig. Der Kurbetrieb lief zwar weiter, schrieb aber nur noch rote Zahlen. Auch nach dem Krieg kamen die Gäste nicht wieder. Die Gründe dafür sind vielfältig: Viele von ihnen hatten ihr hohes Amt oder ihr Vermögen verloren, mit dem Aufkommen der modernen Medizin wurden mehr Tabletten und weniger Kuren verschrieben, es herrschte Wirtschaftskrise, die Menschen hatten zunehmend eigene Badewannen.

Der Hotelkomplex brannte 1932 bis auf die Grundmauern nieder. Das Feuer brach an fünf Orten gleichzeitig aus, die Hydranten waren in der kalten Februarnacht eingeforen. Brandstiftung wurde vermutet, konnte aber nicht nachgewiesen werden.

Der Wiederaufbau

1934-71 wurde das Hotel in kleinerem Rahmen wieder aufgebaut. Das heutige Hauptgebäude entstand.

Heute befindet sich im ehemaligen Kurhotel eine Institution für Ausbilden, Arbeiten, Wohnen für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung.

An die illustre Zeit der Badekuren erinnert heute noch ein Springbrunnen beim Eingang und ein Schwefelwasser-Brunnen neben der alten Trinkhalle.

Chronik

1767 erste offene Badhütte im Rossgraben von Jakob Isler

1798 Übernahme durch Christen von Känel

1831 Versteigerung des Betriebs, Übernahme durch Familie Hofstetter aus Kienersrüti.

1835 Abriss der alten Badhütte und Neubau eines Badwirtschaftsgebäudes mit 18 Zimmern. Das Bad wird kontinuierlich aus- und umgebaut.

1842 Einstellung eines Badarztes

1901 Eröffnung der Spiez-Frutigen-Bahn

1914 Ausbruch des ersten Weltkriegs, Beginn des Niedergangs des Kurbetriebs

1932 Das überschuldete Hotel wird durch einen Brand komplett zerstört

1934 Neubau eines kleineren Hotels, viele Besitzerwechsel

1941 Nutzung eines Gebäudeteils als Käselager des Bundes im zweiten Weltkrieg

1952 Das Bad wird vom Verband öffentlicher Krankenkassen übernommen und erlebt eine neue kleine Blüte.

1971 Schliessung der Anlage und Sprengung des baufälligen Nordflügels des alten Bades

1973 Die Fürsorgedirektion des Kantons Bern übernimmt das Grundtück, eine therapeutische Gemeinschaft wird gegründet

1976 Umwandlung des Vereins in eine Stiftung

1982 Umfassende Umbauarbeiten mit zeitgemässer Liftanlage

1984-87 Um- und Erweiterungsbau

2004-2007 Neubau Wäscherei, Änderung der Zufahrt über die neue Betonbrücke, Erweiterung der Gärtnerei.

2013 Einrichtung eines Schwefelbrunnens neben der alten Trinkhalle.

2017 Umgestaltung des Eingangsbereichs

Sagen

Sage vom Niesenkönig
Aus: Sagen aus dem Berner Oberland von Hermann Hartmann

Da, wo der Niesen das Wolkenmeer zerzaust, stand vor alten Zeiten ein kleines Häuschen, worin ein braves Ehepaar lebte. Der Mann war ein guter schlichter Bauer, dabei vergnügt und fröhlich, dass kaum ein Tag verging, da er nicht bei Sonnenaufgang sich jauchzend und singend an die Arbeit machte. Eines Morgens aber war sein Jodel verstummt. Trübe schlich er daher und sein Gesicht zeigte eine befremdliche Blässe. Krankheit hatte ihn übernommen und Kummer kehrte jetzt in das freundliche Häuschen ein.

Eines Morgens, wie ihn die wackere Hausfrau wiederum mit fahlen Wangen an die Felswand gelehnt fand, wollte ihr fast das Herz brechen über den Anblick. Um ihren Schmerz zu verbergen, eilte sie in den Wald hinaus. Dort fiel sie auf die Knie, um ein inbrünstiges Gebet zum Himmel empor zu senden. Kaum hatte sie geendet, sah sie plötzlich in einem überirdischen Scheine einen Zwerg vor sich stehen. Er trug eine Krone auf dem Haupte und ein Zepter in der Hand. „Ich bin der Zwergkönig des Niesens“, sprach er. „Erschrick nicht, gute Frau, ich bringe dir nur Gutes. Siehst du dort oben jenes Gebüsch? Dort fliesst seit Jahrhunderten eine Quelle. Aber sie blieb bis heute den Menschen verborgen. Steige hinauf, schöpfe aus dem Quell und gib deinem Manne zu trinken. Er wird dir gesunden.“

Damit war der Zwerg verschwunden. Die Frau aber erhob sich getrösteten Herzens. Sie tat, wie sie geheissen wurde und gab dem Kranken fleissig aus dem Quell zu trinken. Wie durch ein Wunder genas er und das Glück kehrte wieder in das Häuslein am Fusse des Niesen zurück. Seither ist der Brunnen im Heustrich am Niesenberg als Heilquelle bekannt.

Sage von Mephisto
in: Josy Doyon. Ein Königreich am Fuss des Niesen. Die bewegte Geschichte von Bad Heustrich. Blaukreuz Verlag Bern 1984, S. 36f

Eines Tages habe sich Magister Faustus von Mephisto auf einer Wanderung zum Niesen bringen lassen, weil er gehört hatte, dass man von seinem Gipfel eine wunderbare Aussicht weit über das Berner Oberland hin geniesse. Es sei sehr heiss gewesen. Da wurde Faust recht durstig, gerade als sie hier beim Felsen rasteten. Der Teufel war verpflichtet, dem Magister jeden Wunsch zu erfüllen. Deshalb schlug Mephisto an den Felsen, und alsbald sprang ein fischer Quell hervor. Als später andere Leute hier vorbeikamen und von dem Wasser trinken wollten, meinten sie, es sei verflucht, weil es nach Schwefel stank, wie der Teufel. So nannte man diese Quelle die Teufelsquelle und ging in einem grossen Bogen um sie herum. Da machte sich ein Eremit auf, errichtete neben der Quellle seine Klause und begann durch Gebet und Fasten den Teufel zu vertreiben. Aber der wollte nicht weichen. Der Eremit wurde selber krank und starb alsbald. Eines Tages kam ein Studiosus hierher, der zu Basel an der Universität durchs Examen gefallen war. Der hatte von einem Zürcher Kollegen ein Büchlein über die Heilkraft des Schwefels zum Andenken erhalten. Nun wagte es dieser Studiosus als erster, von der Quelle zu trinken. Aber die Leute des Tales, die er auch zum Trinken anhalten wollte, mieden die Quelle weiterhin mit grosser Furcht. Da liess der Mann einen Priester kommen, der die Quelle segnete. Daraufhin wagten die Leute endlich, von dem Wasser zu trinken. Viele seien dadurch von ihren Gebresten geheilt worden. Bald kamen Menschen aus nah und fern, bis die Quelle so berühmt wurde, dass man ein Badhaus errichtete.

Literaturhinweise

Die Zeit des aufkommenden Tourismus wird anschaulich beschrieben in den beiden Romanen:

Gerne laden wir Sie ein, die Stiftung Bad Heustrich zu besuchen.

Stiftung Bad Heustrich • 3711 Emdtal • Telefon 033 655 80 40 • Fax 033 655 80 41 • info@badheustrich.ch
Spendenkontoangaben: Postcheck-Konto 30-36360-6 • IBAN CH08 0900 0000 3003 6360 6

Wohnschule Aurora • Oberlandstrasse 88 • 3700 Spiez • Telefon 033 654 87 66 • Fax 033 654 04 73 • aurora@badheustrich.ch